Geschichte der Stadt Stromberg

geschichte der stadt stromberg

Unter Ritterschwert und Pilgerstab 
Einblicke in die Geschichte von Stromberg

"So markant auch Stromberg bei Oelde als östlichster Ausläufer der Beckumer Hügelkette heute in Erscheinung tritt, man wird wohl davon ausgehen müssen, dass er nicht - wie vielfach angenommen - in karolingische Zeit zurückreicht, sondern erst im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Zeit des Investiturstreits 1070 - 1125 als strategischer Ort für eine Verteidigung entdeckt und mit einer Burganlage versehen wurde."
Die häufige Stromberger Berufung auf Kaiser Karl den Großen, der sogar in ihrem Burgwappen Eingang fand, hatte der Warendorfer Landeshistoriker Prof. Dr. Paul Leidinger in der Festschrift "800 Jahre Wallfahrt und Stromberger Geschichte" eine Absage erteilt.

Entsprechend seiner These setzt demnach die nachvollziehbare Stromberger Burg- und Ortsgeschichte mit Beginn des 11. Jahrhunderts ein.
Den hochadeligen Burggrafen waren bis zu 22 Burgmänner unterstellt - unter ihnen so angesehene Geschlechter wie die  von Oer, von Nagel, von Mallinckrodt. Sie waren mit einer Vielzahl von Sonderrechten ausgestattet und zogen aus dem Eigenbesitz der Ländereien ringsum ihren Nutzen.
Aus dem Nebel bloßer Vermutungen treten die Stromberger Burggrafen gegen Ende des 12. Jahrhunderts heraus, als Othalrich in einer Lehensurkunde des Bischofs von Münster erstmals erschien. Mit ihm beginnt denn auch der lückenlose Stammbaum der Burggrafen. Dabei boten die Stromberger im Allgemeinen das übliche Bild damaliger Rittersippen mit militärischer oder politischer Mitbeteiligung an den Ränken und Fehden der Mächtigen, mit Raufhändeln auf eigene Faust.

Auf dem Burgberg herrschte von Hermann I. (1177 - 1224) an das Geschlecht der Rüdenberger, ehe Johann II. sich in seiner Aufsässigkeit mit den bischöflichen Landesherren anlegte und in Ungnade fiel.
Johanns Landsfriedensbruch und das wirtschaftliche Unvermögen des Burggrafengeschlechtes hatte dazu beigetragen, dass Strombergs Sonderstellung im Fürstbistum Münster schon Beginn des 15. Jahrhunderts praktisch erlosch.
Die Bischöfe lösten das Problem Stromberg auf ihre Weise: Sie übernahmen nun selbst den Titel der Burggrafen und deren Wappen und richteten auf dem Burgberg einen bischöflichen Amtssitz ein.


1780 schlug die endgültig letzte Stunde der Burganlage, als die Reste des Verteidigungssystems auf Befehl des Bischofs Maximilian Ferdinand zerstört wurden.
Nur Reste der ehemaligen Anlage haben sich als Zeugen bewegter Geschichte bis heute erhalten - allen voran der 30 Meter hohe Paulusturm.
Mit Zeltdachhaube und Außentreppe dient er heute als Glockenturm der benachbarten Kreuzkirche und ruft mit der historischen Pilgerglocke aus dem 13. Jahrhundert die Gläubigen zur Andacht. 


An die Zeit der Burgmannen erinnert das aus Bruchsteinmauerwerk errichtete gotische Malinckrodthaus, das älteste Burgmannshaus seiner Art in Westfalen.
Ein tiefer Brunnen, dessen Umfassung mit einem modernen Relieffries verziert wurde, diente seinerzeit der Versorgung der Burgbewohner.

Die breit gelagerte Stufenanlage vor der Kreuzkirche hatten der damalige Oelde Amtsbürgermeister Hermann Johenning und einige kundige Theaterleute 1925 als geeigneter Ort für Freilichtspiele entdeckt.

Mit einer Inszenierung der "Jedermann"-Parabel, die von Beginn an auf einen ungewöhnliche Resonanz stieß, entwickelte sich mit der Burgbühne Stromberg ein Laientheater, in dem ganze Generationen des Ortes bis zum heutigen Tage sommertags alljährlich in einem Kinderstück und einer anspruchsvollen Inszenierung für Erwachsene Theaterkunst darbieten.

Unabhängig vom wechselvollen Auf und Ab der Geschichte hatte sich rund um das Heilige Kreuz von Stromberg eine bis heute blühende Wallfahrt entwickelt.
Der hohe Rang des viel verehrten Kunstwerks, das - o Wunder! - dreimal geraubt und zerstört und immer wieder aufgefunden und restauriert worden ist, blieb Jahrhundertelang unter der Silberhülle verborgen, die den edlen romanischen Corpus umkleidet.
Erst in unserer Zeit begriff man, dass das Stromberger Hl. Kreuz zu den bedeutendsten  und in seiner Ausdruckskraft stärksten religiösen Bildwerken des mittelalterlichen Westfalens zu zählen ist. Nicht zuletzt zum Schutz des Heiligen Kreuzes und seiner würdevollen Aufbewahrung entstand als "maior ecclesia in castro", als größere Kirche auf der Burg, die Heilig-Kreuz-Kirche.
Sie ist in ihrer hoch aufstrebenden Eleganz eine typische Verwirklichung der hochgotischen Kathedralarchitektur, die von Frankreich über das Rheinland schließlich auch Westfalen erreichte. Als ein besonders bedeutendes Bauwerk der Hochgotik und wichtigste Hallenkirche des 14. Jahrhunderts im Münsterland fand sie hohe Verwertung in der Kunstgeschichte. Ihrer Erhabenheit antwortet zu Füßen des Burgbergs, die frühgotische Pfarrkirche St. Lambertus in ihrer blockhaften, Erdenschweren Schlichtheit als rustikaler Gegenentwurf.
Durch Neubauten jüngerer Zeit, die sich gleichwohl an die giebelseitige Bebauung früherer Jahre anlehnten, hat die Münsterstraße von ihrer ursprünglichen Fachwerkidylle eingebüßt.

Einen dennoch unübersehbaren städtebaulichen Akzent im Ortsbild setzt noch und wieder neben dem Zentralbau der gotischen Georgs-Kapelle, die einst als Burgkapelle gedient hatte, der restauriert Fachwerkkomplex der Alten Vikarie. Das Gebäude, das 1995 von einem Schadenfeuer erfasst und schwer beschädigt worden war, ist durch den beispielhaften Eifer und die Sachkenntnis emsiger Heimatfreunde in unzähligen Stunden freiwilliger Arbeit wieder erstanden. Heute dient das Haus der bürgerschaftlichen Begegnung, bietet den örtlichen Vereinen eine Heimstatt und wird von Fall zu Fall zum Ort intimer Musik und anderer Kulturveranstaltungen. Das Gebäude, das früher dem jeweiligen Vikar der Kreuzkirche als Wohnung diente und die ersten Stromberger Schulzimmer aufnahm, dient dem Bezirksausschuss Stromberg für seine Sitzungen und wird von Brautpaaren gern in Anspruch genommen, die sich hier vor dem Standesamt das Ja-Wort geben. So wirkt das historische Gebäude als ältestes Stromberger Fachwerkhaus auf seine Weise weiter in die Zukunft eines liebenswerten Ortsteils.

Dr. Ulrich Gehre

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